Der 50-jährige Ingenieur Walter Faber ist durch seine Arbeit (bei der UNESCO) dazu gezwungen, immer wieder durch die Welt zu reisen, um mal hier etwas zu installieren, da mal etwas zu reparieren, und so weiter. Normalerweise fliegt er immer, aber die erste Reise nach seinem Flugzeugabsturz in der Wüste Mexicos soll mit dem Schiff angetreten werden. Auf dem Schiff, das ihn von New York nach Paris bringt, lernt er Sabeth kennen, eine Studentin, die ungefähr halb so alt ist wie er selbst. Er fühlt sich zu ihr hingezogen, nicht zuletzt, weil sie sein doch sehr rationales Weltbild gehörig ins Schwanken bringt, und begleitet sie auf ihrer weiteren Reise zu ihrer Mutter nach Athen.
Nicht, dass es hier wirklich wichtig wäre, trotzdem:
!SPOILERALARM!
1.)
Ich kann mich nicht so richtig mit Frischs Schreibstil anfreunden. Irgendwas hindert mich daran, irgendeine Art von "Beziehung" (keine Ahnung, wie ich das sonst nennen soll) zu den Charakteren aufzubauen, das Buch ist irgendwie...distanziert(?), was natürlich auch damit zusammenhängen kann, dass das Ganze ein "Bericht" sein soll, aber dann steht auf der letzten Seite, dass alles erfunden ist, was den Begriff "Bericht" wieder entkräftet. Und dieses Dilemma, dieser Kontrast zwischen Handlung und Textsorte(?) ist zwar faszinierend und bestimmt auch recht originell (Wer macht denn sowas?!), aber das ist auch schon alles. Die Handlung, die eh schon nicht so der Brüller ist, wirkt dadurch noch viel langweiliger, mal abgesehen davon, dass zumindest ich es nicht einfach fand, dieses Buch zu lesen, trotz der Tatsache, dass es nur 200 Seiten hat...
2.)
Ein kleines Problem habe ich mit dem Protagonisten Walter Faber, aus dessen Perspektive die Geschehnisse geschildert werden. Punkt eins: Er findet seinen ehemals besten Freund tot an der Decke hängend, macht aber erstmal Fotos, hat also mit sowas wie, naja, Gefühlen nichts am Hut und redet entweder total an dem vorbei, was andere gesagt haben oder erzählt von irgendwelchen wissenschaftlichen Dingen, nur um nicht seine komische Auffassung von Männlichkeit zu verlieren und sich auf die weiblichen Themen Gefühle, Kunst oder Natur herablassen zu müssen. Sympathischer Typ. Punkt zwei: Er ist gerade dabei, herauszufinden, dass Sabeth seine eigene Tochter ist, hat sogar schon die Vermutung, dass es so sein könnte, was macht er? Mit ihr schlafen! Toll, verantwortungsbewusst ist er also auch noch...Mal abgesehen davon, dass ich an Sabeths Stelle niemals einen Mann, der doppelt so alt ist wie ich, so nah an mich ranlassen würde, geschweige denn, ihn zu meiner Mutter mitnehmen, ist das von seiner Seite auch nicht wirklich der Inbegriff der Intelligenz...Tut mir leid, das musste ich mal loswerden.
3.)
Allerdings komme ich mit der (für mein Empfinden) Hauptthematik des Buches ganz gut klar. Dass das rationale Denken einen blind macht vor allem anderen, was das Leben ausmacht, also Kunst (in jeglicher Form), Natur oder auch mystische und mythische Einflüsse. Das ist sogar teilweise ziemlich gut in die Handlung eingeflochten, vor allem das Mythische, zumindest für mich, weil das praktisch mein "Spezialgebiet" ist, gerade durch Einflüsse aus den Sagen von Ödipus, Ikarus und Prometheus. Das, in Verbindung mit dem Versuch, alles rational zu erklären, ist wirklich ein Punkt, der mir gut gefallen hat und ein Punkt, der für zumindest ein Sternchen sorgt ;).
4.)
Außerdem gefiel mir auch die zeitliche Struktur ganz gut, die den Stil ein bisschen aufpeppt ;). es gibt nämlich immer wieder Rückblenden und Vorausdeutungen, die das Ganze etwas interessanter machen und nötige Hintergrundinformationen liefern. Daraus kann man zumindest ein bisschen darauf schließen, warum die Handlung so verläuft, wie sie es eben macht ;).
Fazit:
Wie gesagt, die Thematik im Generellen finde ich sogar ziemlich gut und interessant. Die Umsetzung ist allerdings eher weniger nach meinem Geschmack, die Charaktere finde ich furchtbar nervig und mit dem Schreibstil komme ich auch nicht so ganz klar. Aber das ist meine eigene Meinung und ich verstehe auch, warum "Homo faber" als Pflichtlektüre ausgewählt wurde, für die Schule ist es nämlich ganz gut geeignet, ist halt nicht so mein Fall, aber gut, es muss einem ja nicht alles gefallen ;).
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Übrigens:
"Homo faber" wurde 1991 von Regisseur Volker Schlöndorff mit Sam Shepard, Julie Deply und Barbara Surkowa in den Hauptrollen verfilmt.
Macht's gut,
Kerstin :)